BESTATTUNG!


Der Tote oder die Tote ist in meiner Performance eine Fiktion. Eine Person existiert nicht. Durch mein Prinzip der „Fehlstelle“ wird es möglich, die Idee des Toten zu abstrahieren. Es entsteht eine Leere, ein Denkraum. Das Abwesende, was zu betrauern ist, gibt Anlass für eine multiples Abschiednehmen. Was müssen wir angesichts der aktuelle Krisen hinter uns lassen? Was vermissen wir? Was ist für uns und die Nachkommenden gestorben? Personen, Dinge, Handlungen... In Zusammenarbeit mit David Mews, Dramaturg, dem Schauspieler Thomas Bading (Schaubühne Berlin), dem Hornquartett der Musikschule Potsdam und mit der logistischen Unterstützung eines Bestattungsunternehmens wird in der Performance das Ritual einer Bestattung durchgeführt. Die Performance wird gefilmt und daraus entsteht eine Videoarbeit als eigenständige künstlerische Arbeit. Zentrales Format ist die Rede, die in den Ablauf einer fiktiven Bestattung eingebettet wird. Der Wortlaut orientiert sich an der Struktur einer tatsächlichen Trauerrede. Statt einer realen Person wird all das betrauert, was wir verloren haben... Der oder die Tote als abwesende Person wird durch ein multiples abstraktes Abwesendes ersetzt. Erst nach und nach wird im Laufe der Performance sichtbar, dass es keinen Toten gibt, dass die BESTATTUNG! als theatraler Akt stattfindet, in der wir eine Idee des Vergangenen begraben müssen. Die Erinnerung als philosophisch - ethische Kategorie ist das zentrale Motiv und vice versa: das Vergessen. Das Vergessenkönnen wird zu einer (Über-)Lebensfrage, wenn das Erinnern die Möglichkeiten menschlichen Lebens zu sehr belastet. Vergessen wird dann zu einer Form der Entlastung, der seelischen Hygiene. Womöglich verweist die Schwierigkeit, eine Kunst des Vergessens zu entwickeln, auch auf den Sachverhalt, dass der Körper nicht so leicht vergisst. Als künstlerischer Akt bietet die Performance eine mögliche Kunst des Erinnerns und Vergessens, die vor allem dann virulent wird, wenn es um Leiden und Schmerzen geht. Seit der Antike ist das Schreiben selbst (oder weiter gefasst: das mediale Speichern) als eine, wenn auch ungewollte Kunst des Vergessens verstanden worden. Die Rede ist, dem Schreiben vorausgehend, also in der Entsprechung, in der Verlebendigung, eine Kunst des Erinnerns. Das älteste Ritual der Welt, die Bestattung, wird aus der Verklammerung des Zwecks gelöst Der Tod, der für die meisten Lebenden am Rand des Gesichtsfeldes steht, wird in den Fokus genommen. Erinnern und Vergessen erscheinen als notwendige
Antipoden für eine gestaltbare Zukunft.

 

Weitere Informationen

Website der Künstlerin



Beteiligte Künstler:innen

Ellen Kobe



Laufzeit

03.04.2022



Veranstaltungsort

Friedhof Bornstedt, Trauerhalle
Ribbeckstraße 40
14469 Potsdam