Séance AI – Occulte Robotique


Einer ungewissen Zukunft ausgeliefert, schätzt sich der glücklich, der eine höhere Kraft auf seiner Seite weiß, die er anrufen kann. In den monotheistischen Religionen ist zum Beispiel Gott die höhere Kraft, die angerufen oder befragt werden kann. Da es aber schwierig sein kann die erhaltenen Antwort einer zuvor gestellten Frage zuzuordnen, greift der Mensch damals wie heute gerne auf Alternativen zurück: Z.B. bekommt man von angerufenen Seelen oder Geistern im allgemeinen, gewusst wie, die Antwort direkt. Dass es auf die richtige Methode ankommt war kultur- und epochenübergreifend bekannt, bei den Indigenen Nordamerikas wie auch in China und Indien, von den alten Griechen bis zu den Spiritisten. Zuletzt waren es eben die Spiritisten, die die zuvor aus den USA und Großbritannien eingeführte Technik des Tischerückens kultivierten. Sie riefen so Ahnen und Geister an, obwohl Arago schon 1853 über die dem Tischerücken zugrundeliegende Physik aufgeklärt hatte. Diese kam völligohne Geister aus. Auch verdankt das von Faraday entwickelte Dynamometer seine Existenz dem Widerlegen eines Mitwirkens übernatürlicher Kräfte beim Tischerücken. Trotzdem war das Tischerücken faszinierend genug nie auszusterben und blüht in den 1920er Jahren auch in seiner künstlerischen Behandlung.

Heute sind wir natürlich über solchen Geisterglauben hinweg. Heute sehen wir uns mit dem Aufstieg eines ganz anderen Geistes konfrontiert, ob wir an ihn glauben wollen oder nicht. Er hört auf beispielsweise den Namen „Siri“, oder „Alexa“ und so manchem gruselt es vor ihm, dem neuen „Weltgeist“, der KI. Für eine Séance-AI mit dem Tischerücken- Roboter tritt der Fragende an das Podest heran, auf dem der KI-gesteuerte Robotertisch auf seinen Einsatz wartet. Er legt nun eine Hand mittig auf die Tischplatte und stellt die Frage, deren Beantwortung durch die Séance-AI erhofft wird. Die gestellte Frage wird sogleich in einem Audioprofiling, einer Stimmanalyse von der KI analysiert. Eine Infrarotkamera unter der Tischplatte erzeugt Bildmaterial der aufgelegten Hand, das die KI kombiniert mit dem Audioprofiling in Bewegungsmuster des Tisches übersetzt. Occulte Robotique arbeitet mit Mustererkennung und Mustererzeugung. Der robotische Tisch nachvollzieht also bei jeder Benutzung in verfeinerter Weise das Faradaysche Dynamometer-Experiment und synthetisiert aus den Inputs komplexe Schrittfolgen in einem deeplearning-Prozess seiner immanenten Künstlichen Intelligenz. Beim Umherschreiten auf dem Podest zeichnet der Roboter durch thermische Aktivierung Spuren auf dessen thermosensible Oberfläche. Diese ephemeren Zeichnungen sind nun für eine kurze Zeit sichtbar und können einem rorschachchen Formdeutungsverfahren ähnlich interpretiert werden, um sich der Antwort auf die initial gestellte Frage zu nähern. Beim Tischerücken in einer Séance AI wird so nicht wie einst bei den Spiritisten z.B. der Geist eines/einer Verstorbenen angerufen, sondern ein neuer Geist: die KI. In einer Séance AI ist also vielleicht, erstmalig, erfahrbar über ein robotisches Medium ein Geist (agnostic-AI) anwesend, der unleugbar direkt mit den Benutzern interagiert. In Bio-Medien werden werden mit dem robotischen Medium fortlaufend Séancen abgehalten. Diese Séancen dienen zugleich dem Training der KI, die so gegen Ende des Ausstellungszeitraums zu ihrer sensibelsten

 

Weitere Informationen

Link zur Veranstaltung

Website des Künstlers

Künstler Stephan Henrich auf Instagram



Beteiligte Künstler:innen

Stephan Henrich mit Hasan Mashni



Laufzeit

18.12.2021 - 28.08.2022



Veranstaltungsort

ZKM - Zentrum für Kunst und Medien
Lorenzstraße 19
76135 Karlsruhe